Fairständigung in Konflikten
Von Matthias Blöser, Projektreferent Demokratie stärken im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN in Mainz
Wie können Christinnen und Christen in polarisierten Zeiten für ihren Standpunkt einstehen? Wie können wir Konflikte, zum Beispiel zum Umgang mit der Pandemie oder mit Minderheitenrechten, beherzt und zielführend angehen? Wie können wir unterschiedliche Sichtweisen zusammenführen? Als christliche Bürger*innen sind wir Teil der Gesellschaft und ihrer Probleme. Wenn wir unseren Anteil an Konflikten erkennen, wenn wir in Kirchengemeinden und unserem Umfeld eigene Vorurteile reflektieren und Probleme ehrlich anschauen, können wir Konflikte konstruktiv bearbeiten und Teil einer fairen Lösung sein.
Demokratie und Frieden
Demokratie basiert auf gleichen Rechten für alle. Sie soll eine friedliche Konfliktbearbeitung ermöglichen und benötigt zugleich Frieden als Grundvoraussetzung. Zur demokratischen Kultur gehören Dialog und Aushandlungsprozesse. In der aufgeheizten Stimmungslage der letzten Jahre ist Dialog herausfordernd. Umso wichtiger ist es, am Gespräch auf Augenhöhe festzuhalten und Wege der Fairständigung zu suchen. Zugleich sind wir aufgerufen, Position für Demokratie, Frieden und gesellschaftliche Verantwortung zu beziehen. Kirche kann Ort demokratischer Beteiligung sein und widerstreitende Positionen zusammenbringen, solange diese im menschenfreundlichen Rahmen des Evangeliums bleiben. Seine frohe und befreiende Botschaft ruft Christ*innen auf, die Würde eines jeden Menschen zu achten und zu verteidigen. Im demokratischen Streit haben viele, auch herausfordernde, Meinungen Platz – Hass, Gewalt, Rassismus oder Antisemitismus jedoch nicht.
Die Person achten – menschenverachtende Äußerungen ächten
Menschen sind vielfältig und gleichwertig zum Ebenbild Gottes geschaffen. Diese christliche Überzeugung fordert uns auf, in jedem Gegenüber Gottes Wirken zu sehen und ihr/ihm Wertschätzung entgegenzubringen. Wertschätzung schließt Kritik an und die Ächtung von problematischen Aussagen und Handlungen ein. In Debatten kann es helfen, Aussage und Person zu trennen, um die Aussage zu kritisieren und die Person zu achten. Ein solcher Dialog erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass kritische Argumente gehört werden, ohne zu garantieren, dass sich eine problematische Ansicht ändert. Schauen wir also genauer hin und bitten unser Gegenüber darum, auch genauer hinzuschauen und hinzuhören, insbesondere mit Blick auf die Betroffenen von Unrecht und Benachteiligung. Wir stehen alle in der Verantwortung, Konflikte demokratisch zu bearbeiten und ein faires Miteinander zu gestalten.
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
2 Timotheus 1,7
Mit diesem Satz spricht Apostel Paulus seinem Täufling Timotheus Mut zu. Der Glaube kann in beängstigenden Situationen helfen. In vielen Kirchengemeinden gibt es den Wunsch, Ängste und Polarisierungen in der Gesellschaft durch Gesprächsangebote abzubauen. Ein christlich geprägter Dialog im Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit kann Polarisierungen überwinden, ohne Interessenkonflikte auszublenden, sondern vielmehr gesellschaftlichen Herausforderungen bewusst zu begegnen. Hier kann Kirche soziale Verwerfungen benennen, Alternativen aufzeigen und zugleich eine grundlegende Zuversicht in die Gestaltungsfähigkeit der Gesellschaft verbreiten.
Nächstenliebe leben in Freiheit und Verantwortung
Grundlage christlichen Glaubens und Handelns ist das Gebot der Nächstenliebe. Christ*innen sind angesprochen, in Nächsten und auch im „Fremden“ sich selbst zu erkennen. Mit Martin Buber gesprochen: Du sollst deinen Nächsten lieben, er/sie ist wie du. Mit dieser Grundhaltung können Christ*innen Nächstenliebe leben und Klarheit zeigen gegenüber Menschenverachtung und Hass. Abwertung von Angehörigen bestimmter Gruppen, Verächtlichmachen politischer Gegner*innen, und andere Handlungen, die den gesellschaftlichen Frieden, sind aus christlicher Sicht abzulehnen.
In der Auseinandersetzung um Krieg und Frieden oder Identität und Heimat sollten Christ*innen achtsam sein. Die Botschaft Christi gilt allen Menschen und taugt nicht für einseitige Vereinnahmung. Auch die deutsche Geschichte mit zwei Weltkriegen mahnt eine universale Auslegung des Evangeliums an. Heimat ist ein von Gott geschenkter Gestaltungsraum. Die eigentliche Heimat finden Christ*innen bei Gott. Sie haben „hier keine bleibende Stadt“ (Hebräerbrief 13,14). In Christus finden sie Identität, Gemeinschaft und Freiheit. Gott bietet Freiheit in Geborgenheit wie es Psalm 31 sagt: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“. So können Christ*innen in Freiheit und Verantwortung eine menschenfreundliche, offene und friedliche Heimat mitgestalten. Jede Christin und jeder Christ ist herausgefordert zu prüfen, welche Positionen zur Frage des Zusammenlebens in einer vielfältigen Gesellschaft christlich und lebensdienlich sind. Ein guter Leitsatz für Fairständigung in Konflikten: Nächstenliebe leben, Klarheit zeigen – und dabei möglichst fair bleiben.
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