Vom Frieden singen
Friedenslieder sind nicht nur in der Kirche beliebt
Von Carina Dobra
Wer an Friedenslieder denkt, dem fallen wahrscheinlich erst einmal kirchliche Klassiker ein wie „Da berühren sich Himmel und Erde“ oder „Von guten Mächten“. Doch auch in der Popmusik taucht das Motiv Frieden häufig auf.
„Mein Frieden, „Friedensharmonie“, „Ruhe und Frieden“ oder auch „Frieden, Bier und Sonne“. So heißen einige der unzähligen Playlists, die sich unter dem Stichwort „Frieden“ beim Musikstreaming-Dienst Spotify finden lassen. Klar, Klassiker wie der von Ralph Siegel komponierte Grand-Prix-Hit „Ein bisschen Frieden“ von Nicole oder Nenas „99 Luftballons“ sind meistens dabei. Aber auch Songs von deutschen Rap-Größen wie Azad und Kool Savas oder US-amerikanischen Rappern wie Eminem und Bands wie den Black Eyed Peas sind gespeichert.
Neben Themen wie Liebe, Freundschaft und Trauer scheint Frieden ein allseits beliebtes Motiv für Songtexte zu sein. Der „King of Pop“, Michael Jackson, hat gleich in mehreren Songs dem Bösen in der Welt den Kampf angesagt: „Man In The Mirror“, „Heal The World“ und „Earth Song“. Mit „Man in the Mirror“ betont Jackson etwa, dass jeder die Welt zu einem besseren Ort machen und dabei mit sich selbst anfangen solle. Das Musikvideo zeigt Szenen von Gewalt, Armut und Hunger. So sind beispielsweise Szenen aus dem Vietnamkrieg zu sehen. Passend zu der Botschaft spendete der Sänger die Einnahmen des Songs.
Die Black Eyed Peas klagen in ihrem Hit „Where ist the Love?“ über die weltweite Kriminalität und Hunger. Im Musikvideo von 2003 tauchen Kinder unterschiedlichster Nationalität auf. Das Motto „Wo ist die Liebe?“ mit einem kantigen, roten Fragezeichen als Symbol, steht im Mittelpunkt des Clips.
Seit es Musit gibt, wird Bezug auf Frieden genommen
Popsängerin Pink rechnet 2007 in ihrem Song „Dear Mr. President“ mit dem damaligen US-Präsident George W. Bush ab. Mit Zeilen wie „Wie träumst du, wenn eine Mutter keine Chance hat Abschied zu nehmen?“ nimmt die Sängerin Bezug auf den Irakkrieg und die tausenden gefallenen US-Soldaten.
Seit es Musik gibt, nehmen Künstlerinnen und Künstler Bezug auf Frieden, wie der Musikwissenschaftler Michael Custodis von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster erklärt. Und das in jedem Genre: Kirchenmusik, Pop, Blues, Metal, Hip Hop. Jede Musik-Generation gehe auf das jeweilige Zeitgeschehen ein, sagt Custodis. Und weil es immer Kriege gegeben hat, war auch immer die Sehnsucht nach Frieden da.
Die Grenze zwischen Musik und Parolen etwa auf Demonstrationen sei oft fließend, meint Custodis. Für beides gilt: Die Botschaft muss direkt sein. Dafür sei ein Lied ideal, erklärt der Musiker. Als Beispiel dafür nennt der Pop-Experte den Song „Give Peace a Chance“ von John Lennon aus dem Jahr 1975. Auch Sprechgesänge der Fridays- For-Future-Demonstrierenden wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, tragen im Kern eine Friedensbotschaft mit sich – wenn auch in einer anderen Gestalt als Songs wie „Imagine“ und Co., meint Custodis.
Weiter betont der Wissenschaftler die „ungeheure emotionale Kraft“ von Musik. Durch die Verbreitung der Musik, früher durchs Radio, später durchs Fernsehen, heute vermehrt auch auf Social Media, könnten die Künstlerinnen und Künstler die gewünschte maximale Aufmerksamkeit erreichen.
Natürlich gebe es auch immer Interpreten, die umgekehrt zu Gewalt und Hass aufrufen, wie Custodis ergänzt. Zum Beispiel im Hip Hop. Doch auch hier gebe es inzwischen Künstler wie den jüdischen Rapper Ben Salomo, der mit seinen Songs ein Zeichen etwa gegen Antisemitismus und Homophobie vieler seiner Kolleginnen und Kollegen setze.
Auch in Gottesdiensten und auf Kirchentagen steht das Singen von Friedensliedern auf der Agenda. „Weil die Sehnsucht danach groß ist und der Frieden zerbrechlich ist. Das erfahren wir tagtäglich“, meint die Landesmusikdirektorin Christa Kirschbaum der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).
Friedensthematik war im kirchlichen Gesang immer schon ein zentrales Thema
Im Evangelischen Gesangbuch gebe es schon lange die Rubrik „Erhaltung der Schöpfung, Frieden und Gerechtigkeit“. Das war eine Reaktion auf den Konziliaren Prozess „Frieden-Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“, wie Kirschbaum erklärt. Es zeige, dass die Friedensthematik im kirchlichen Gesang immer schon ein zentrales Thema war, sehr unterschiedlich gewichtet je nach Erfahrungen etwa mit Konfessionsstreit oder kriegerischen Auseinandersetzungen. Internationaler wurde es seit den 1960er Jahren, als die Kirchen ihre weltweiten Verbindungen ausbauten, wie die Musik-Expertin weiter erklärt.
Können wir wirklich etwas bewirken, wenn wir vom Frieden singen? Ja, glaubt Kirschbaum: „Wir benennen das Thema, es wird präsent. Singen stärkt uns und schafft Gemeinschaft. Gesungenes wird im Gehirn anders gespeichert als nur Gesprochenes, ist durchaus nachhaltiger“, sagt Kirschbaum. Wenn Menschen darüber hinaus noch über das Gesungene sprechen, vielleicht weitere Infos zur Herkunft erfahren, dann kann das Singen von entsprechenden Liedern bereits eine Art „Friedenstraining“ sein, ist die Sängerin überzeugt: „Im besten Fall kann es dazu führen, dass wir in Konsequenz noch mehr für den Frieden tun und uns auch auf andere Weise engagieren.“
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken