Peace, Leute!
Das wohl bekannteste Friedenszeichen kommt nicht aus der Mode
Von Reimar Paul und Carina Dobra
Eigentlich war das Peace-Zeichen eines der großen Symbole der Friedensbewegung. Vor mehr als 60 Jahren wurde es erstmals bei einer Demonstration gegen Atomwaffen verwendet. Heute ziert es Schülerkalender, T-Shirts und Kissen.
„Dieses Teil hier, das war schon mit in Mutlangen“, sagt Hans-Dieter Lüdemann. Er kramt in seiner Kommode und zieht eine grüne Umhängetasche heraus. Der Reißverschluss klemmt, der Gurt ist eingerissen. Verwaschen und verblichen, aber noch gut zu erkennen, prangt auf der Tasche das Friedens-Zeichen: ein Kreis mit drei Strichen, die nach unten weisen.
Das habe er vor mehr als 25 Jahren mit schwarzem Filzstift aufgemalt, erinnert sich der ältere Herr. Die Mutlangener Protestaktionen gegen die Pershing-Raketen im Jahr 1983 waren die erste Friedensdemonstrationen, an denen er teilnahm, sagt Lüdemann, der im niedersächsischen Landkreis Rotenburg/Wümme lebt. „Wir haben das vor allem als Zeichen gesehen, an dem man die Leute erkennt, die auch gegen Atomwaffen und Kriege sind.“
Heute ist das kaum noch der Fall, wie Martin Weyers, Vorsitzender von „Symbolon - Gesellschaft für wissenschaftliche Symbolforschung“, sagt: „Symbole müssen lebendig gehalten werden, sie werden sonst schnell zu gedankenlos benutzten Klischees.“ Paradoxerweise werde ein Symbol oft bedeutungsloser, je populärer es wird. Das Peace-Symbol ist oft nur noch Erkennungszeichen, mit dem man einen bestimmten Lifestyle verbindet, wie der Experte weiter erklärt.
Peace-Zeichen“ gehörte zu den großen Symbolen der Friedensbewegung
Anders verhalte es sich etwa mit dem Nagelkreuz von Coventry, das ursprünglich aus Zimmermannsnägel einer im Krieg zerstörten Kathedrale gebildet wurde und heute als Friedenssymbol gilt. Das christliche Symbol konnte nach den Worten des Forschers seine Kraft bewahren, da die Kirchen wie etwa St. Selbald in Nürnberg, in denen es gezeigt wird, eine internationale Gemeinschaft bildeten und das Kreuz unmittelbar verständlich sei.
Das „Peace-Zeichen“ gehörte seinerzeit zu den großen Symbolen der Friedensbewegung der 70er und 80er Jahre. Entworfen hat es der englische Designer und Pazifist Gerald Holtom vor mehr als 60 Jahren für die britische Friedensorganisation „Campaign for Nuclear Disarmament“ (CND).
Die erste große Demonstration der Kampagne mit dem Peace-Zeichen begann Karfreitag 1958 und führte von London nach Adlermaston, wo die britischen Atomwaffen entwickelt wurden. Viele der rund 10 000 Protestierenden trugen das Peace-Zeichen auf großen Holz- und Pappschildern vor sich her oder reckten es, aufgemalt auf Plakate, in die Höhe. Die Bilder der Demo gingen um die Welt, der Adlermaston-Marsch wurde zum Fanal für die internationale Ostermarschbewegung.
International aussagekräftiges Markenzeichen
Vietnamkriegsgegner und Hippies in den USA übernahmen das Friedenszeichen ebenso wie Atomwaffengegner in der Bundesrepublik und Skandinavien. Die Friedensbewegung hatte nun ein international aussagekräftiges Markenzeichen. Es galt als so wirkungsmächtig, dass die Regierung Südafrikas in den 70er Jahren ernsthaft erwogen haben soll, es zu verbieten.
Mit den Massenprotesten gegen die Militärinvasion der UN im Irak, geführt von den USA, im Jahr 1991 fand die Verbreitung des Emblems einen weiteren Höhepunkt: Junge Leute und Kriegsgegner auf der ganzen Welt formten auf Wiesen und Plätzen menschliche Peace-Zeichen, bemalten damit ihre Gesichter oder – wie Lüdemann – ihre Kleidung und Taschen.
In Zürich errichteten Aktivisten das Symbol an den Hängen des Üetlibergs. Gleitschirmflieger aus dem Rhein-Main-Gebiet drapierten ihre knallbunten Paraglider nahe dem Frankfurter Flughafen zum Antikriegs-Emblem. Der Fernsehsender Viva ersetzte sein Logo durch das Zeichen, der US-Regisseur Michael Moore trug es bei der Oscar-Verleihung als Sticker am Revers. In den 90ern nahmen Musikerinnen wie Britney Spears und Christina Aguilera das V-Zeichen als Ausdruck von „Girl-Power“ auf. Vor allem die Spice Girls haben damit die Stärke und Unabhängigkeit von Frauen ausdrücken wollen.
Dabei hatte sich Holtom die Anregung für das Zeichen übrigens ausgerechnet aus dem Winkeralphabet geholt, das von einem britischen Oberst entwickelt worden war. Diese Zeichensprache mittels Flaggen dient der optischen Nachrichtenübermittlung zwischen Schiffen und an Land und war lange bei der Kriegsmarine in vielen Staaten in Gebrauch. Holtom kombinierte daraus die beiden Buchstaben N und D – einen senkrechten Strich und einen Winkel, der seine Schenkel nach unten öffnet. N und D waren die Kürzel für „Nuclear Disarmament“, also für atomare Abrüstung. Um das Symbol abzurunden, zeichnete Holtom noch einen Kreis um das Zeichen, der den Erdball darstellen sollte.
Kein Copyright angemeldet
Später soll der Erfinder, der während des Zweiten Weltkriegs den Kriegsdienst verweigert hatte, noch eine andere Erklärung nachgeschoben haben. Danach standen die Balken im Kreis nicht nur für das N und das D, sondern auch für einen verzweifelten Menschen, der die Arme resigniert zu Boden streckt, weil ihn die nukleare Aufrüstung so sehr belastet.
Anders als die dänische Anti-Atom-Initiative in den 70er Jahren mit ihrer lachenden Sonne hatte Holtom für das Peace-Symbol kein Copyright angemeldet. So viel Großzügigkeit machten sich andere zunutze – das Peace-Zeichen zierte zeitweise die Schachteln der Zigarettenmarke „Lucky Strike“. Beim Parfüm „Peace, Love and Juicy Couture“ schmückt es bis heute die Flakons. Ob im Blumenmuster oder mit Strasssteinchen besetzt: Auch auf Möbeln, Bildern, Shirts, Schmuck und Federmäppchen ist das Symbol nach wie vor beliebt. Die US-amerikanische Bekleidungsmarke „Museum of Peace & Quiet“ nutzt das Zeichen sogar als Logo.
Und als Foto-Pose ist das Zeichen auch nicht mehr wegzudenken. Aber Vorsicht: Ein Peace-Zeichen ist es nur, wenn man die Handinnenflächen nach vorne zeigt. Dreht man die Handaußenflächen nach vorne, kann das Zeichen vor allem in Großbritannien als „Fuck you“ gedeutet werden.
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