Versöhnung: Warum wir darauf angewiesen sind!
Von Sabine Bertram-Schäfer, Pröpstin in Nord-Nassau
„Versöhnung ist der einzige Schlüssel, durch den sich Türen, die lange verschlossen waren, wieder öffnen.“, so sagt es Phil Bosman1. Ohne eine Versöhnung würde so manche Tür zwischen Menschen, Völkern oder zwischen uns und Gott geschlossen bleiben. Versöhnung schafft neue Räume. Beziehungen sind wieder möglich. Belastende Situationen verändern sich. Es entstehen neue Perspektiven. Die Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nach 1945 ist ein Beispiel für eine solche neue Beziehung.
Schon Kinder kennen die Erleichterung, wenn sie sich mit dem besten Freund oder der besten Freundin wieder versöhnt haben. Es war nicht leicht, den ersten Schritt zu gehen. Doch die ausgestreckte Hand und die Worte „Willst du wieder mein Freund oder meine Freundin sein“ verändern alles. Das, was zwischen ihnen stand, zählt nicht mehr. Sie können wieder zusammenspielen, zusammen lachen und gemeinsam unterwegs sein.
Versöhnung heilt, was zerbrochen war
Erfahrungen mit Versöhnung oder mit ausbleibender Versöhnung haben viele Menschen gemacht. In einer Partnerschaft ist Versöhnung sehr wesentlich. Voraussetzung ist dabei die Liebe. Weil der andere Mensch wichtig ist, ist ein neuer Anfang möglich. Versöhnung heilt, was zerbrochen war.
Dort, wo keine Versöhnung möglich ist, bricht die Beziehung ab. Zwischen Völkern kann das Ausbleiben von Versöhnung im schlimmsten Fall zum Krieg führen. Die gegenseitige Anerkennung bleibt aus. Das Trennende steht im Vordergrund.
Versöhnung bedeutet die erneute gegenseitige Anerkennung nach einem eingetretenen Zerwürfnis. Versöhnung setzt daher Verzeihung voraus, also den Verzicht auf Wiedergutmachung. Versöhnung stellt das Verhältnis zwischen Personen und Gruppen wieder her, das durch Schuld, Feindschaft und Hass zerstört wurde.
In der Bibel finden wir viele Geschichten und Erzählungen in denen es um Versöhnung geht.
Eine der bekanntesten ist die Josefs-Novelle im ersten Buch Mose.2 Streit, Konkurrenz und Neid führen zum Zerwürfnis zwischen Josef und seinen Brüdern. Die Brüder nehmen Rache. Sie verkaufen Josef nach Ägypten. Nach einer bewegten Geschichte mit Leid und Erfolg steht am Ende die Versöhnung. Josef verzichtet auf Rache. Die Brüder sehen ein, dass sie Unrecht getan haben. Die Versöhnung zwischen den Brüdern heilt alle Verletzung und ein Neuanfang ist möglich.
Im Neuen Testament ist die Versöhnung zwischen Gott und dem Menschen die Grundlage des Evangeliums. Durch den Kreuzestod Jesu Christi und seine Auferstehung gewährt Gott Versöhnung der Menschen mit Gott. Im Kreuz geschieht die Heilung, die eine Versöhnung und somit einen Neuanfang möglich macht.
Paulus begreift das Versöhnungshandeln Gottes als einen Zusammenhang von Tat und Wort Gottes. Die Versöhnungstat geschieht durch Jesu Tod und Auferstehung. Der Mensch wird von der Macht der Sünde befreit. Jesus Christus ermöglicht ein neues Leben und einen neuen Frieden mit Gott. Im verkündeten Evangelium erschließt sich den Menschen die Versöhnung, die Gott schenkt. Durch den Glauben, der durch das Wort Gottes entsteht, geschieht die befreiende Erkenntnis der Versöhnung.
Verzeihung und Versöhnung eröffnet einen neuen Weg miteinander
Weil Gott den Menschen Versöhnung schenkt, ist es den Menschen möglich, auch untereinander Versöhnung zu leben. Es ist ihnen als Christenmenschen aufgetragen, immer wieder Versöhnung zu betreiben, wo Streit, Unfriede und Hass entstehen. Dabei geschieht auf beiden Seiten eine tiefgreifende Veränderung. Bei Menschen, die verletzt haben oder ein Unrecht ausübten, geschieht eine Umkehr. Und die Menschen, denen ein Unrecht zugefügt wurde, verzichten auf Rache und sehen den anderen Menschen in einem andren Licht. Es ist nicht mehr die Tat allein, die diesen Menschen identifiziert. Verzeihung und Versöhnung eröffnet einen neuen Weg miteinander.
Versöhnung ist ein Geschenk Gottes. Gott hat uns durch Jesus Christus eine Versöhnung geschenkt, die neues Leben ermöglicht. Insofern ist Versöhnung der Schlüssel zu Räumen, die lange verschlossen waren. Diese Räume zu betreten, bedeutet eine neue Freiheit und Frieden zu finden.
Folgen wir Paulus, der sagt: „Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“ 3
1 Phil Bosmans (1922-2012) war ein belgischer, katholischer Ordensgeistlicher, Verfasser geistlicher Schriften und Telefonseelsorger.
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